Während US-Präsident Donald Trump den Klimawandel als Hirngespinst abtut und stattdessen mit seiner Politik den Großindustrien wieder mehr Möglichkeiten bietet den Planeten zu zerstören, arbeiten Idealisten wie Woody Harrelson unermüdlich daran, ein Umdenken in Gang zu setzen. Es kommt leider nicht allzuoft vor, dass man als Journalist in Hollywood auf Stars trifft, die sich furchtlos zu Themen wie Politik, Religion oder Umweltzerstörung äußern. Normalerweise gilt im Showbusiness noch viel zu oft die Devise: Immer schön unter dem Radar fliegen. Wenn mal jemand den Mut hat seine Meinung zu äußern, hagelt es in der Regel sofort einen Shitstorm. Manche befürchten, das könnte ein Berufsrisiko bedeuten. Die Band „Dixie Chicks“ hat das mal am eigene Leib zu spüren bekommen. Die tapferen Damen äußerten sich kritisch gegenüber Ex-Präsident George W. Bush – und beendeten damit in den USA quasi ihre Karriere, weil sich konservative Fans der Country-Band entsetzt abwendeten. Meryl Streep kritisierte Präsident Trump vor Jahren mal bei den Golden Globes – und musste dafür einiges an Kritik anhören.
Viele Leute in den USA sind der Meinung: Schuster bleib bei deinen Leisten. Schauspieler und Musiker etwa sollen sich gefälligst nicht politisch äußern. Dabei haben gerade diese Kreativen – die sich in ihren Songs, Filmen, Theaterstücken oder TV-Serien vielfach mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen – doch die beste Qualifikation, um auch aus persönlicher Sicht darüber zu reden. Und wenigstens Denkanstöße zu geben und Diskussionen anzuschieben, um Veränderungen zu bewirken. Politische Korrektheit jedoch schüchtert offenbar immer mehr Menschen ein. Auch in Hollywood. Gesellschaftskritik aus den Reihen der Kultur hat eigentlich eine lange Tradition. Vor allem in den 60er und 70er-Jahren nahmen Musiker, Autoren und Schauspieler kein Blatt vor den Mund und steuerten ihre Meinungen gerne bei zur öffentlichen Diskussion über kontroverse Themen. Sportler wie Muhammad Ali protestieren auf öffentlichen Bühnen gegen politische und gesellschaftliche Missstände. Warum auch nicht?
Darum fand ich Gespräche mit Woody Harrelson immer extrem spannend. Er weiß, wovon er redet. Umweltschutz ist seine Leidenschaft. Und er lebt ihn auch privat konsequent. Seine Mission: Auch in Hollywood noch mehr grünes Denken auf die Tagesordnung zu bringen. Wie er in diesem Interview sagt, dass ich vor einigen Jahren mit ihm führte.
Sie sind schon seit vielen Jahren als umtriebiger Umweltaktivist tätig?
Ja, schon seit einigen Jahren. Bereits 2003 haben wir mit der Dokumentation „Go Further“ versucht, die Menschen auf einen umweltfreundlicheren Lebensstil einzustimmen. Und auch sonst nutze ich meinen Bekanntheitsgrad gezielt, um auf die immensen Probleme aufmerksam zu machen, mit denen unser biologisches Gleichgewicht auf diesem Planeten zu kämpfen hat.
Wie groß ist der Schaden, den wir „Mutter Erde“ bereits zugefügt haben?
Wir stecken schon knietief im Schlamassel. Unsere Situation ist ein bisschen vergleichbar mit der Situation während des Untergangs der Titanic. Wir haben den Eisberg bereits gerammt und haben das Rütteln auch gespürt. Aber oben auf dem Deck spielt die Musik dennoch weiter und der Champagner fließt in Strömen. Wir tun so, als wäre nichts passiert.
Sie sehen also Schwarz, wenn sie an die Zukunft des Planeten Erde denken?
Die Erde wird auch in 10 oder 20 Jahren noch existieren. Was mir Sorgen macht, ist das Ökosystem. Ich bin von Grund auf ein sehr optimistischer Mensch und hoffe schwer, dass wir am Ende doch noch so vernünftig sind um zu erkennen, auf welches Dilemma wir eigentlich zusteuern. Bei allem Optimismus, den ich mir in allen Lebenslagen selbst verordne, darf aber die Realität nicht zu kurz kommen. Ich betrachte die Sachlage unseres Ökosystems sehr analytisch – und dabei lässt sich einiges einfach nicht schönreden.
Worin sehen Sie das größte Problem im Kampf gegen den ökologischen Supergau?
Ich habe selbst einige Zeit gebraucht um zu begreifen, dass Regierungen letztlich nichts aus Politikern bestehen, sondern aus einem Haufen von Geschäftsleuten, die für noch mächtigere Geschäftsleute arbeiten. Das ist das Hauptproblem. Die Großindustrien – Öl, Kohle, Nukleare Energien – sind das Übel und die eigentlichen Mächtigen dieser Welt. Sie fungieren als Puppenspieler und lassen die Politiker nach ihrer Pfeife tanzen. Ich bezeichne sie daher gerne auch als „Das Biest.“ Diese Industrien können operieren wie sie wollen, sie vergewaltigen die Erde jeden Tag aufs Neue und werden dafür auch noch mit reichlich Steuervergünstigungen und anderen Subventionen belohnt. Das muss ich ändern.
Wie?
Ich bezweifle, dass dies aufgrund eines couragierten Umdenkens in der Politik geschehen wird. Leute wie Präsident Barack Obama müssten den Anfang machen und gegen die großen Industrie-Bosse aufmucken. Ich bin allerdings äußerst skeptisch, dass dies in absehbarer Zeit passiert. Präsident Carter wer der letzte Präsident, der es wagte, die mächtige Ölindustrie zu besteuern. Das hat ihn am Ende die Wiederwahl gekostet. Nein, ich glaube es sind wir, das Fußvolk, das den Unterschied machen kann. Wir haben als Gesamtheit eine große Macht, die wir bündeln müssen.
Zum Beispiel?
Ich habe eigens eine Firma gegründet, die sich mit alternativen Rohstoffquellen als Grundlage für unser tägliches Leben beschäftigt. Ich will damit beweisen, dass wir nicht abhängig sein müssen vom Öl, um unsere Autos damit zu betreiben oder unsere Häuser zu heizen. Ich will beweisen, dass wir unsere Wälder nicht abholzen müssen, um Papier herzustellen. Jährlich werden allein in Amerika 50 Millionen Bäume gefällt. Papier kann aber auch aus organischer Baumwolle hergestellt werden, die man auf Feldern anbaut. Normale Baumwolle taugt nicht dafür, weil sie mit zu vielen Pestiziden vergiftet wird. Biodiesel für unsere Autos ist eine gute Alternative zum Öl. Und aus Hanf lassen sich viele Dinge des Alltags umweltfreundlich herstellen. Was wir brauchen, ist eine Art Bewegung, die in Gang gesetzt wird. Wir müssen Modelle schaffen, die von anderen kopiert werden. Wenn mehr und mehr Leute Hanf-Produkte kaufen, wird sich die Marktsituation verschieben. Angebot und Nachfragen regulieren den Markt – und damit würde die Großindustrie langsam aber sicher geschwächt werden. Aber noch ist das Biest zu mächtig. Noch stehen wir als David diesem Goliath gegenüber. Aber wenn wir alle gemeinsam gegen Goliath ankämpfen, werden wir ihn niederzwingen.
Wie weit gehen Sie im Kampf für eine ökologisch gesündere Welt?
Ich tue, was immer ich kann um meine Umwelt auf die Gefahren aber auch auf die Möglichkeiten aufmerksam zu machen die wir haben im Kampf gegen den ökologischen Kollaps. Aber ich lebe zwischendurch auch mein Leben. Ich bin kein Fanatiker. Nur konsequent. Ich habe mich vor einigen Jahren mal mit einigen anderen Aktivisten an der Golden Gate Bridge in San Francisco fest gekettet – aus Protest gegen einen Industriellen, der 1000 Jahre alte Redwood Bäume in Nordkalifornien aus Profitgier abholzen wollte. Manchmal muss man auch mal zu extremen Mitteln greifen, um seiner Meinung Gehör zu verschaffen. Leider.
Sie haben Ihren gesamten Lebensstil auf umweltfreundlich getrimmt, leben mit Ihrer Familie auf Hawaii in einem Dorf, das ganz ohne Strom auskommt und auf komplette Eigenversorgung baut. Doch nicht jeder hat solche Möglichkeiten.
Das stimmt. Und dennoch hat jeder die Möglichkeit, in seinem Umfeld einen Anfang zu machen. Wie gesagt: der Markt regelt sich durch Angebot und Nachfrage. Wenn wir als Konsumenten keine reinen Plastikprodukte mehr nachfragen und stattdessen verstärkt Produkte aus recyceltem Material kaufen, wird sich die Industrie nach und nach diesem Kaufverhalten anpassen. Und wenn die Nachfrage nach Biodiesel steigt, wird mehr Biodiesel und weniger Kraftstoff aus Öl produziert. Es sind zudem kleine Gesten – wie das Mitbringen eigener Einkaufstaschen – die einen Unterschied machen können. Oder indem wir der Umwelt weniger Giftstoffe zufügen. In unseren Putzmitteln sind weit mehr giftige Stoffe enthalten als das Zeug, was man letztlich damit entfernen will. Putzmittel aus organischen Stoffen sind ebenso effektiv. Und wenn man dann noch seine Freunde davon überzeugen kann, dass sie ebenfalls wieder verwertbare Einkaufstaschen verwenden und auf ökologisch abbaubare Produkte umschwenken, hat man als Individuum einen großen Beitrag geleistet für den Heilungsprozess des Ökosystems.
In den letzten Jahren ist der grüne Umweltgedanke schick geworden in Hollywoods Filmindustrie. Wie Grün ist Hollywood wirklich?
Nicht Grün genug. Da passiert noch viel zu wenig. Blöderweise gibt es noch viel zu viele bürokratische Hürden zu meistern – Versicherungen sind die größten Blockierer. Ich habe etwa am Set von „Zombieland“ versucht, die Nutzung von mit Biodiesel betriebenen Generatoren durchzusetzen. Die Versicherungen haben das als zu riskant abgelehnt, weil sie Angst hatten, die Generatoren würden zwischenzeitlich ausfallen und damit den Drehplan gefährden. Es gibt noch immer zu viele Filmsets, die nicht mal ihren Abfall recyceln. Ich sorge immer dafür, dass meine Kollegen ihren Müll trennen. Damit ernte ich zwar immer wieder mal den einen oder anderen ernsten Blick – aber das ist mir egal. Ich mache keinen Unterschied zwischen einem Hollywoodstar und normalen Arbeitern. Mutter Erde auch nicht.
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