Offiziell nennt sich Tom Bachik „Nail Technician“ – seine Fans bezeichnen ihn viel lieber als „MAN-icurist“ nachdem er der einzige männliche Star in der glamourösen Welt der Nagel-Mode ist. Stars wie Heidi Klum, Jennifer Lopez, Beyonce, Anne Hathaway oder Eva Longoria vertrauen ihm ihre High-Profile-Nägel zur künstlerischen Verschönerung an. newH sprach mit Bachik über seinen eigenwilligen Weg vom typischen kalifornischen Surfer-Dude zum führenden Manikuristen in der Welt der Stars und warum es auch für Männer okay ist, bunten Nagellack zu tragen.
Wie sind Sie zu Ihrem außergewöhnlichen Job gekommen?
Ich bin in Los Angeles geboren, aber in einer kleinen Wüstenstadt drei Stunden entfernt aufgewachsen. Ich habe mich als Teenager hauptsächlich für Sport interessiert, Sachen wie Skateboard fahren, Snowboarden, Motorräder, all sowas. Ich hatte auch schon immer eine künstlerische Ader, ich habe immer gerne gezeichnet. Und Autos waren schon immer meine Leidenschaft – irgendwann habe ich das alles kombiniert und begann Autos, Skateboards und Helme mit Air Brush künstlerisch zu verzieren. Der Plan war, wenn ich die Schule abgeschlossen habe, meine Frau zu heiraten und mein eigenes Design-Studio zu eröffnen. Ich wollte Gegenständen mit meiner Kunst ein individuelles Aussehen verleihen: Autos, Motorräder, Jet-Skis, Helme, Hockeymasken. Als meine Frau und ich 23 waren, erwarteten wir zum ersten Mal Nachwuchs. Und plötzlich dachte ich ganz anders über diese ganze Künstler-Sache. Mein Bruder und ich wollten uns auf Extremsport konzentrieren. Wir kauften ein paar Jet-Skis, wir hatten einen Sponsor, wir waren bereit durchzustarten und dann hieß es plötzlich: Ich werde Vater, ich muss jetzt erwachsen werden.
Es war so witzig, ich saß mit meinem Cousin beim Essen, es war in den frühen Neunzigern, in den USA war gerade ein neuer Präsident an die Macht gekommen, und wir unterhielten uns über die Wirtschaftskrise und ich meinte, die Leute können sich all die Sachen wie Jet-Skis und Motorräder gar nicht mehr leisten. Wie sollen sie sich die dann erst bemalen lassen? Mein Cousin sagte, Studien hätten belegt, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Beautyindustrie regelrecht explodiert. Sie nennen es den Lipstick-Effekt. Nach dem Motto: Ich kann meine Rechnungen nicht begleichen, aber ich kann Lippenstift auftragen oder mir eine neue Frisur zulegen oder zur Maniküre gehen. Es geht um diesen einfachen Luxus, den man schon für wenig Geld bekommt. Sich einfach etwas Gutes zu tun, wenn die Zeiten hart sind. Mein Cousin ging auf die Friseurschule und ich fand das super, aber ich hatte keine Zeit, um so etwas durchzuziehen für eineinhalb Jahre. Es war schließlich ein Baby unterwegs. Nicht genug Zeit, um zu lernen, wie man Haare und Make-up macht. Doch mein Cousin sagte: Nicht Haare und Make-up. Nägel! Ich dachte: Nägel!?! Wovon redet er? Doch er meinte es ernst. Er erzählte mir von diesen zwei Typen, die sich in nur 500 Stunden ausbilden ließen und ihren eigenen Nagel-Salon in San Diego eröffneten. Meiner Frau standen die Dollarzeichen in den Augen und sie sagte: Das wirst du machen. Es war streng genommen keine große Umstellung für mich, weil ich mich ja mit Grafik Design und Custom Painting auskannte.
Nageldesign war sehr angesagt in den Neunzige, ich zeigte den Nagel-Designern meiner Mutter, wie man Airbrush benutzt. Es war wirklich keine große Umstellung für mich satt Helmen und Hockey-Masken Fingernägel zu bemalen. Ich habe mich Freitags an der Beauty-Schule beworben und Montags habe ich angefangen mit der Ausbildung.
Das war eine normale Beauty-School?
Ja, eine Beauty-Schule, aber ich habe mich auf Nägel spezialisiert, ich habe keine Haare und Make-up gemacht, aus Zeitmangel. Ich wollte das so schnell wie möglich durchziehen und anfangen zu arbeiten. Wenn ich Schule hatte, habe ich verschiedene Fachzeitschriften gelesen und fand heraus, dass es Beautyshows/-messen gibt, im ganzen Land, auf der ganzen Welt. Auf diesen Messen gibt es richtige Wettbewerbe, bei denen man gegeneinander antritt. Für Haare, Make-up und auch für Nageldesign. Nagelkunst, Nailart-Painting, Wettbewerbe für Acrylnägel, es gibt 3D-Nailart. Das kommt aus Japan, sie kleben Sachen auf die Nägel…. Das war etwas für mich. Ich war immer ein Wettbewerbsmensch, bin Rennen gefahren. Und nun konnte ich auch hier gegen andere antreten. Und ich dachte: Ich mach euch fertig!
Ich habe im ersten Jahr, nachdem ich meine Lizenz hatte, mit den Wettkämpfen angefangen. Und ich gewann die Weltmeisterschaft in der Disziplin ,,Acryl Sculpting Nails“. Ich wusste, dass viele der Teilnehmer sich mit solchen Siegen einen guten Ruf aufgebaut und dann ihre eigene Kollektion an Produkten herausgebracht haben. Also habe auch ich mir mit solchen Wettbewerben einen Namen gemacht. Ich wurde von verschiedenen Firmen angefragt, darunter auch Chanel. Sie haben den ersten Gel-Lack heraus gebracht. Ich begann für sie zu arbeiten und wollte nebenher meine eigene Firma aufbauen und Produkte entwerfen. Sie machten mich zum Global Artistic Director. Sie brachten mich mit den Stars zusammen. Und die liebten meine Arbeit und gaben mir tolles Feedback. Plötzlich explodierte es. Britney Spears, Eva Longoria, Victoria Beckham, Gwen Stefani, Beyoncé, Jennifer Lopez, Heidi Klum und Jessica Simpson… ich habe mit allen gearbeitet. Das habe ich ein paar Jahre lang gemacht und bekam dann die großartige Möglichkeit, Global Nail Expert von L’oreal Paris zu werden. Mit dem Marketing und dem Development zu arbeiten, die Farben auszusuchen, zu beobachten, wie sich die Trends entwickeln.
Bei Hair und Make-up gibt es viele männliche Stars, warum glauben Sie ist das beim Nagel-Design anders?
Das ist eine gute Frage, ich weiß es nicht. Ich glaube, wenn ein Mann sich für solch einen Beruf entscheidet, geht er ernster an die Sache heran. Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung heraus sprechen, aber als ich mich dazu entschieden habe, wusste ich, ich bekommen einige blöde Sprüche von meinen Freunden zu hören. Deshalb hab ich mir gesagt: Wenn ich das mache, muss ich richtig gut sein, Karriere machen. Ich habe das sehr ernst genommen, so viel geübt, wie ich konnte. Ich habe mir von so vielen Leuten wie möglich Inspiration geholt. Das gehört für mich zum Geschäft. Egal, ob es um Fingernägel geht oder nicht, ich will immer der Beste sein.
Wie lange haben Sie für Chanel gearbeitet?
Etwa zwei Jahre.
Und wann sind Sie zu L’Oreal gewechselt?
Vor zwei Jahren. Ich habe einen Dreijahresvertrag unterschrieben.
Sie arbeiten auch eng mit der Entwicklung zusammen. Kreieren Sie auch neue Produkte? Und wenn ja, auf welche sind Sie besonders stolz?
Bei L’Oreal haben sie ein großartiges Team. Sie haben einen unglaubliche Farb Designerin, ihr Name ist Orrea Light, ich arbeite eng mit ihr zusammen. Wenn neue Trends kommen, setzen wir uns zusammen und besprechen, was wir verbessern und woran wir arbeiten können. Oder sie kommt zu mir und sagt: Guck dir diese neue Technik an, wir haben diesen tollen Glitter oder diese neue Zusammensetzung, was hälst du davon? Ich probiere es dann bei meinen Kunden aus, spiele mit verschiedenen Produkten und gebe ihr dann Feedback. Wir kommen zusammen und kreieren die nächste Generation von Nagellacken.
Wo wir gerade bei Inspiration sind . . . Sie haben drei Kinder. Sind sie eine Inspiration für Sie? Die jüngere Generation? Und woher nehmen Sie sonst Ihre Inspiration?
Ich beobachte ständig, was sie tun, welchen Trends sie folgen, was ihre Freunde mögen, was sie tragen. Sie lieben Farbe in ihrem Haar, all diese verschiedenen Sachen: Street und urban und hip und cool. Die junge Generation hat ihren Finger am Puls. Es ist spannend, ihre Farbauswahl zu sehen, die Sachen, die sie aussuchen, wo ich oft denke: No way. Es ist interessant zu sehen, welchen Style sie haben und sich davon inspirieren zu lassen.
Holen Sie sich auch Inspirationen von Modedesignern?
Auf jeden Fall! Mode ist ein Leitfaden für uns. Wir beobachten, was passiert auf den Laufstegen. Manchmal arbeite ich auch mit den Designern zusammen an ihren Projekten und bekomme Sachen zu Gesicht, die vor mir noch keiner sehen durfte. Ich sehe mir die Farben an, die sie aussuchen, welche Materialien sie verwenden. Metalle, Muster, Geometric-Print, ist es zart, floral, weich. Solche Dinge inspirieren mich zu neuen Looks.
Gehen Sie zur Mani- und Pediküre oder machen Sie das selbst?
Ich mache das selbst, aber eher aus Zeitmangel. Es ist schwierig für mich, eine Stunde Zeit für so etwas einzuschieben. Ich mache das dann mal schnell im Auto nebenbei.
Tragen Sie auch selbst Nagellack?
Natürlich!
Bisher machen das nur wenige Männer, außer vielleicht Rockstars. Glauben Sie, dass ist ein Trend, der in nächster Zeit zunehmen wird?
Ich glaube schon. Vor allem bei der jüngeren Generation. Auch nicht unbedingt auf allen Nägeln. Ich selbst habe meistens nur ein oder zwei Nägel lackiert. Weil ich den Lack zum Beispiel testen will, wie er auf dem Nagel wirkt. Aber ich glaube schon, dass sich das durchsetzt, denn es ist hip und cool und Rock n Roll. Stars wie Steven Tyler oder Snoop Dog, die aus so verschiedenen Genres kommen, tragen Nagellack.
Schauen Sie den Leuten immer zuerst auf die Hände statt ins Gesicht?
Auf die Hände, das ist mein Job und ich gucke schon immer, ob mir was ins Auge sticht. Für mich spiegelt das die Persönlichkeit eines Menschen wider. Wie kreativ er ist etc. Das ist es, warum Nageldesign weltweit so erfolgreich ist, es hilft den Leuten, Teil der Modewelt zu sein.
Waren Sie auch bei den Oscars involviert?
Ich habe mit Anne Hathaway gearbeitet. Ich hatte eigentlich mehrere Anfragen, aber es ist schwierig mit den Terminen. Ich möchte dann auch nicht von einem zum anderen hetzen, sondern ihnen meine volle Aufmerksamkeit geben. Es ist eine so spezielle Nacht. Wir arbeiten im Team mit Haar- und Make-up-Stylisten. Es ist ein richtiger Prozess: Wie will sie aussehen, was trägt sie, was will sie ausstrahlen? Zuerst besprechen wir das alles, denn die Nägel sind das Finale. Finish of the Look. Sie machen ihn komplett.
Wie planen Sie das ein? Oft passiert ja alles auf den letzten Drücker.
Das ist das Schwierige daran. Manchmal können wir den Zeitraum eingrenzen, aber oft ist es tatsächlich Last Minute: Im Wohnzimmer, die letzten Entscheidungen fallen, wir haben nur zwei Stunden, um alles umzusetzen, Make-up, Haare, Nägel, alles passiert gleichzeitig. Trotzdem soll alles entspannt und stressfrei ablaufen, damit sich die Kundin wohl fühlt.
Wie lange dauert es, einem Promi für die Oscar-Verleihung die Nägel zu machen?
Das dauert schon ein paar Stunden, denn wenn wir alles gleichzeitig machen, Haare, Make-up und das alles, braucht jeder seinen Platz. Man muss sich bewegen können. Wir fangen alle gleichzeitig an und ich bin meistens ein bisschen vor den anderen fertig.
Was war bisher Ihr Lieblingslook?
Ich habe so viele verschiedende Looks kreiert,jedes Mal, wenn wir ein Red-Carpet-Event machen, ist es eine neue Herausforderung. Einen der Looks, die ich liebe, es war ein sehr simpler Look, habe ich für Anne Hathaway gemacht. Schmetterlingsnägel. Sie hatte ein sehr ausdrucksstarkes, schwarzes Kleid an und sie wollte etwas Natürliches. Dieses rockige Kleid und dazu zarte, natürliche Nägel. Das kriegt man in 30 Minuten hin. Alle Entscheidungen waren getroffen und ich dachte über die Nägel nach. Ich fand weiß hot, denn es ist jugendlich, aber elegant. Weiße Nägel zum schwarzen Kleid. Aber wir wollten noch ein Element aus der Natur einbauen. Der Make-up-Artist hatte diese Wimpern aus Papier mit Schmetterlingen drauf. Ich schnitt die Schmetterlinge aus, sie waren aus einem matten schwarzen Papier, und lackierte die Nägel in einem hochglänzenden Weiß. Die Schmetterlinge drückte ich auf die noch feuchten Lack. Das war großartig, das war für die SAG Awards 2013.
Wurden Sie schon mal zu einem Stylingunfall gerufen, wo Sie in letzter Minute etwas retten musstest?
Glücklicherweise nicht. Aber das ist genau der Grund, warum ich mir ausreichend Zeit für meine Kunden nehme. Ich würde es hassen, einen Anruf zu bekommen, nach dem Motto: Sie hat die Nägel verschmiert, kannst du zurück kommen. Und ich sitze gerade bei einem anderen Kunden. Ich bin lieber Teil des ganzen Prozesses, kreiere den Look mit und nehme mir die Zeit dafür. Alles soll perfekt sein, bis zu dem Moment, in dem sie ins Auto steigt.
Welcher Promi hat Sie positiv überrascht?
Ich habe zwei. Jennifer Lopez liebt es, Neues auszuprobieren und ihren Look zu verändern. Wir experimentieren viel. Mal kurze Nägel mit glänzende, grelle Farben. Mal lang, verrückt und wild mit Glitter, oder wir schreiben JLo drauf oder ähnlich verrückte Sachen. Wir haben immer viel Spaß. Sie will immer etwas Unerwartetes. Meine andere Favoritin ist Zooey Deschanel. Es macht so viel Spaß mit ihr, denn wir machen immer etwas freaky, aber glamourös. Sie ist lustig, aber gleichzeitig sehr elegant. Sie ist sehr künstlerisch und weiß genau, was sie mag.
Welchem Promi würden Sie gerne mal die Nägel machen?
Ich mache das jetzt seit gut 20 Jahren und kann mich glücklich schätzen, schon mit fast jedem gearbeitet zu haben. Eine Ikone wie Cher oder Madonna, das wäre noch mal was. Ich hatte einmal die Chance, mit Madonna zu arbeiten. Aber sie kam erst sehr spät und bekam ihr Make-up schon unterwegs, das war meine sehr kurze Erfahrung mit Madonna. Ich hatte wirklich Glück mit so tollen Kunden arbeiten zu dürfen. Sie erzählen gerne darüber, wer ihre Nägel macht und so bekomme ich immer wieder neue Anfragen. Das macht meinen Job so großartig.
Werden Sie bei der nächsten Staffel von Project Runway wieder dabei sein?
Ich denke ja. L’Oreal ist ein Sponsor der Sendung. Ich kann mich einbringen und coole Sachen mit den Kandidatinnen machen. Letztes Jahr war es sehr erfolgreich. Jeder wollte danach die Schmetterlingsnägel. Ich halte die Daumen noch gedrückt, aber ich würde sagen; Ja.
Wie finden Sie Heidi Klum?
Sie ist super, sehr bodenständig und natürlich. Sie hat immer Spaß bei der Sache, das finde ich gut. Das macht auch meine Arbeit leichter und ich lasse mich von ihrer positiven Art inspirieren.