Til Schweiger im exklusiven Interview mit neuH über seinen neuen Film „Klassentreffen 1.0,“, Sex in der Gemeinschaftsdusche und den wachsenden Populismus in der Welt.
Ihr letzter Film „Klassentreffen 1.0“ thematisiert auch Eigenheiten, die Männer um die 50 so durchmachen: Hämorrhoiden, Sehschwäche, Midlife-Crisis. Sie sind 55, wie macht sich Älterwerden bei Ihnen bemerkbar?
Ich habe eine neue Hüfte und merke das Alter beim Sport machen. Fussballspielen konnte ich schon länger nicht mehr, weil die Muskeln danach tagelang verkürzt und verhärtet sind. Und ich schaffe auch nicht mehr so viele Klimmzüge wie früher, auch weil ich nicht mehr soviel Zeit habe Sport zu machen wie früher. Aber das sind alles nur körperliche Wehwehchen, vom Geist her merke ich überhaupt nichts. Da bin ich genauso fit wie mit 20.

Til Schweiger mit Milan Peschel (links) und Samuel Finzi (rechts) im Film Klassentreffen 1.0 credit: Warner Bros.
Waren Sie jemals auf einem Klassentreffen?
Ich war mal vor sechs Jahren auf einem Klassentreffen, aber das war nicht so unterhaltsam wie unser Klassentreffen im Film. In der Schule hatte ich zwei beste Freundinnen, mit denen bin ich heute noch befreundet. Aber mit dem Rest der früheren Klasse hatte ich schon damals außerhalb des Unterrichts nicht viel zu tun. Ich war zwar ganz neugierig wie die jetzt alle aussehen und ich hab auch alle noch erkannt. Aber die Namen wusste ich teilweise nicht mehr.
Hätten Ihnen viele aus der Klasse Ihre Karriere zugetraut?
Ich habe keinen gefragt. Aber ich habe mir ehrlich gesagt ja selbst nicht so eine Karriere zugetraut (lacht).
Jede Klasse hat ihre Charaktere: Den Klassenclown, den Streber, den Troublemaker, den Schleimer. Wo haben Sie sich da eingereiht?
Also bis zur 10. Klasse war ich eigentlich immer so mit der Kleinste, weil ich schon mit fünf eingeschult worden bin. Und ich war auch sehr schüchtern. Ich habe dann die 10. Klasse freiwillig wiederholt und dadurch entwickelte sich ein besseres Selbstbewusstsein. In der Oberstufe war ich dann, obwohl ich ganz gut in der Schule war, bestimmt kein Streber, und ich habe viel Blödsinn gemacht.
Sind Sie auch mal aus dem Unterricht geflogen?
Aus dem Unterricht geflogen nicht, aber einige Lehrer haben mir prophezeit, dass ich mit dieser albernen Art krachend scheitern werde. (grinst)
Haben Sie sich auch mal in eine Lehrerin verknallt?
Nee, hab ich nicht. Hätte theoretisch passieren können, aber nicht an meiner Schule.
Wie vielen Mitschülerinnen haben Sie das Herz gebrochen?
Ich war kein Frauenheld, dafür war ich zu schüchtern. Ich war aber in der 9. Klasse mal in ein Mädchen aus der Nachbarklasse verknallt. Aber damals war ich einfach zu Grün hinter den Ohren um was draus zu machen.
Gibt es Klassenfahrten an die Sie sich gerne erinnern?
Als wir mit der Klasse mal nach Ungarn gefahren sind, da hatte ich sehr aufregenden Sex in der Gemeinschaftsdusche der Männer.
Wie?
Mit einer Frau.

Til Schweiger im Film Klassentreffen 1.0 mit Milan Peschel (rechts) und Samuel Finzi (mitte). credit: Warner Bros.
Ihre Eltern waren beide Lehrer und Ihr Vater lehrte sogar an der gleichen Schule, die Sie besuchten . . .
… das stimmt, aber als ich in der Unterstufe war, war er in der Oberstufe. Und als ich dann in die Oberstufe kam, wurde er Schulleiter in einer anderen Stadt. Also hatte ich keinen Unterricht bei ihm.
Welche Vor- und Nachteile hat es, als Kind von zwei Pädagogen als Eltern aufzuwachsen?
Also mein Vater war relativ streng, es ging bei ihm natürlich immer sehr um die schulischen Leistungen. Das hat mich dann aber auch angespornt, gut in der Schule zu sein. Ob ich das für das spätere Leben gebraucht habe, sei mal dahingestellt. Aber es war für mich weder Vor- noch Nachteil.
Aber die Lehrer-Eltern scheinen Sie sehr geprägt zu haben, denn ursprünglich wollten Sie auch mal Lehrer werden, oder?
Ja, weil ich gerne lehre. Weil ich gemerkt habe, dass ich ein gutes didaktisches Talent habe und weil ich gut erklären kann. Das hätte mir schon wahnsinnig Spaß gemacht. Aber zu jener Zeit gab es einen Lehrerüberschuss – und wenn ich dann Lehramt studiert hätte, wäre ich wohl arbeitslos gewesen. Deswegen habe ich es dann gelassen.
Wären Sie ein guter Lehrer geworden?
Hundertprozentig!
Im Vergleich zu Ihrer Schulzeit hat sich einiges verändert an den Schulen. Tun Ihnen die Lehrer von heute manchmal Leid?
Ja, schon. Unser ehemaliges Kindermädchen in Malibu hat Lehramt studiert, war dann in Kreuzbergan einer Schule und hat nach einem halben Jahr hingeschmissen. Was sich Lehrer heute anhören müssen ist schon krass. Se werden schon mal bedroht, dass der große Bruder vorbeikommt und sie zusammen schlägt . Oder 5-Jährige sagen zur Lehrerin: ”Halts Maul du Fotze” . Das ist schon echt heftig.
Viele Eltern bemängeln auch, dass Ihre Kinder an den Schulen nicht genügend gefördert werden.
Stimmt. Bei mir hat auch niemand irgendein Talent gefördert. Ich wäre gerne in die Theater-AG gegangen, aber die Lehrerin war so doof. Ich glaube auch, dass die Kinder kreativ zu wenig gefördert werden an den Schulen. Das amerikanische Schulsystem hat zwar viele Macken, aber die Förderprogramme im kreativen und sportlichen Bereich sind sinnvoll. Es ist schade, dass es sowas in Deutschland nicht gibt. Da könnten die Bildungspolitiker etwas kreativer sein.
Welche Partei würden Sie aktuell wählen?
Es gibt gerade keine Partei die ich wählen kann. Das ist das Problem.
So denken viele Bürger – gleichzeitg ist der Populismus massiv auf dem Vormarsch . . .
. . . und leider ist das auch in Deutschland angekommen. Das ist weltweit im Moment ein Problem. Das müssen die Politiker ernst nehmen.
290 Kunstschaffende haben in einem offenen Brief die Ablösung von Innenminister Seehofer gefordert. Hat man Sie auch gefragt?
Nö, man hat mich nicht gefragt. Generell finde ich das gut, wenn jemand seine Meinung äußert oder Interessensgruppen sich zusammen tun. Aber ob man als Priorität jemanden auffordern muss zurückzutreten, weiß ich nich. Es gibt so viele andere Themen, zu denen man sich äußern könnte. Ich liebe mein Land – darum binich leidenschaftlich, wenn es um gesellschaftspolitische Themen geht.
Sie sind in dem kleinen Ort Heuchelheim aufgewachsen. Viele Prominente, die in der Provinz aufgewachsen sind, glauben, dass dies hilft, um die Bodenständigkeit zu bewahren. Was hat Heuchelheim für Ihren Charakter getan?
Das kann ich jetzt so dezidiert nicht sagen, aber ich bin bodenständig auf die Welt gekommen, ich bin bodenständig erzogen worden und deswegen werde ich mein Leben lang bodenständig bleiben. Ob das jetzt an Heuchelheim liegt, oder an meinen Eltern und meinem Freundeskreis, das kann ich nicht sagen.
Es war jedenfalls ein langer Weg von Heuchelheim bis an die Spitze der deutschen Filmlandschaft. Mit „Klassentreffen 1.0“ haben Sie seit 1997 Ihren 23. Film produziert. Welches Lehrgeld haben Sie bezahlt?
Ich habe gelernt: Actionfilme in Deutschland zu produzieren ist keine gute Idee. Weil die Deutschen keine Action mögen – und erst recht keine Action aus Deutschland. Die Leute sagen schnell mal: „Das ist ja alles unrealistisch.“ Weil sie die Polizeiwelt nur aus dem Tatort kennen. Wenn dann mal ein deutscher Actionheld für Recht und Ordnung sogt, das geht offenbar nicht. Bei James Bond hingegen ist dann wieder realistisch, wenn er mit einem Motorrad über eine Brücke springt. Wenn das aber ein Deutscher macht, dann ist es Unsinn.
Sie sind der erfolgreichste deutsche Filmemacher, aber gleichzeitig polarisieren Sie immer wieder. Kommt man irgendwann mal an den Punkt wo einen das nicht mehr juckt. Oder schmerzt es immer wieder neu?
Nee, also weh tut es nicht. Aber es ist trotzdem ärgerlich, wenn man merkt, dass Leute sich wirklich bewusst hinsetzen und überlegen: Wie kann ich eine Kritik so schreiben, dass möglichst viele Leute nicht ins Kino gehen. Das ist halt so ein deutsches Ding. Wichtig ist für mich: Ich habe verstanden, dass ich es nicht ändern kann und ich habe daher meinen Frieden damit gemacht. Aber Neid gibt es auf der ganzen Welt. In der Academy in Hollywood, von der die Oscars vergeben werden, sind die Mehrzahl der Mitglieder alte Schauspieler, die nicht mehr arbeiten. Und die sagen sich dann auch: „Mensch der Leonardo DiCaprio, der sieht so gut aus, der hat so viele Millionen auf dem Konto, wieso sollen wir dem dann auch noch einen Oscar geben? Den können wir ihm auch später noch geben, wenn er alt ist.“ Das gibt es da also auch, aber in Deutschland ist die Neidkultur schon sehr ausgeprägt.

Til Schweiger im Film Klassentreffen 1.0 mit Milan Peschel (mitte) und Samuel Finzi (rechts). credit: Warner Bros.
Was haben Sie an sich, dass die Leute so reizt?
Ich habe da oft schon mit Kollegen und Freunden drüber gesprochen und die haben dann auch gesagt : “Til ,stell dir mal vor die Amis würden das mit Brad Pitt oder Leonardo DiCaprio machen“. Die werden da drüben gefeiert. Selbst ein Tom Cruise, der für Scientology Werbung macht, wird für seine Arbeit anerkannt. Das ist in Deutschland halt nicht so. Und schade ist auch, dass hier ein Unterhaltungsfilm aus den USA eher angenommen wird als einer aus Deutschland. Gleichzeitig jammern die Leute aber, dass wir keine funktionierende Kinoindustrie haben.
Die Jahre in Hollywood – wie haben die rückblickend geprägt?
Für mich war eigentlich schon nach „Tomb Raider“ klar, dass ich so einen Studiofilm nie wieder machen möchte. Ich spielte eine Rolle, die einfach nicht durchdacht war. Und es war auch immer klar, dass ich nur Nebenrollen bekommen kann, weil Hauptrollen einfach nur selten mit einem Deutschen oder einem Europäer besetzt werden. Bei „King Arthur,“ habe ich mich noch einmal breitschlagen lassen, aber danach hatte ich keine Lust mehr für fünf oder sechs Monate Leibeigener eines Filmstudios zu sein, um am Ende jeden Monat immer nur einzelne Drehtage zu haben und zwischendurch nicht zu arbeiten. Ich wollte eigentlich schon nach einem Jahr in Los Angeles wieder zurück nach Deutschland, aber es war eine Familienentscheidung das wir länger geblieben sind. Ich war froh, als ich dann 2004 wieder zurück nach Deutschland konnte.
Vermissen Sie L.A. manchmal?
Nein. Ich bin immer mal wieder gerne dort für ein bis zwei Wochen, weil man durch die positive Art der Menschen dann immer angespornt ist. Aber man merkt andererseits dann eben auch, dass ganz vieles oberflächlich und nur Gesabbel ist.
Ihre Tochter Emma lebt derzeit wieder in Malibu. Will Sie es auch mal versuchen in Hollywood zu arbeiten?
Als ich vor ein paar Wochen das letzte Mal drüben war hat sie mir gesagt: “ Papa, also so langsam hätte ich schon mal wieder Lust zu spielen”. Aber ich habe sie jetzt nicht speziell nach Hollywood gefragt. Können würde sie es aber, denn meine Kinder sind ja alle in Englisch besser als in Deutsch.
Ihre Töchter stehen immer wieder mit Ihnen gemeinsam vor der Kamera wie zuletzt Lilly in „Klassentreffen 1.0“. Ist das mehr Hobby oder sehen sie die Schausspielerei als Berufsoption?
Also bislang hat noch keine meiner Töchter gesagt, dass sie Schauspielerin werden will. Die freuen sich, dass sie immer wieder mal die Möglichkeit dazu haben. Und sie können es ja auch, sonst würde ich sie ja nicht besetzen. Ich zerre sie jedenfallls nicht vor die Kamera. Den Wunsch haben sie selber geäußert. Ich habe aber mit ihnen vorab darüber gesprochen. “Wenn ihr das machen wollt, dann werde ich euch unterstützen. Ihr müsst euch aber bewusst sein, dass es für euch doppelt schwer ist, weil jeder sagen wird: Ihr habt die Rolle nur bekommen, weil Til Schweiger euer Vater ist. Ihr werdet von Anfang an nicht mit offenen Armen empfangen werden.“ Aber ich denke sie orientieren sich ohenhin in andere Richtungen: Lilly will jetzt eine Goldschmiedausbildung machen, Luna geht in Paris auf die Uni, studiert Management. Und Valentin will Kameramann werden. Mal sehen, wo sie letztlich landen. Mir ist alles recht, Hauptsache sie sind glücklich.
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