Andreas Renner über eine der führenden Power-Frauen, die das verkrustete System der Männerdomäne Hollywood aufknacken wollen
Reese Witherspoon war eine der ersten Hollywood-Schauspielerin die ich interviewt habe, nachdem ich in Los Angeles Fuß gefasst habe als Journalist. Das war vor knapp 20 Jahren. Reese war damals eine aufstrebende Jungschauspielerin, die international aber noch eher unbekannt war. Man kannte sie bereits aus „Pleasantville“ und „Cruel Intention“. Ich traf sie am Set von „Legale Blonde“ im San Fernando Valley. Jenem Film, dem sie ihren Durchbruch zu verdanken hatte. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich sie nach ihrem liebsten Blondinen-Witz fragte. Und sie hatte sofort einen parat: „Two Blondes driving to Disneyland. A sign next to the road reads: ‚Disneyland left‘. So the turned around and drove home“. Ich fand den gut. Funktioniert aber auch nur auf Englisch.
Reese Witherspoons Wandlung
Seither traf ich Reese Witherspoon mehrfach bei diversen Interviewterminen. Und jedes Mal erschien sie mir mehr gereift als beim letzten Gespräch. Filme wie „Sweet Home Alabama“ und natürlich „Walk the Line“, in dem sie Johnny Cash’s große Liebe June Carter spielte, und dafür schließlich einen Oscar gewann. Seitdem ist Reese eine ganz feste Größe in Hollywood. Und eine Frau, die ihre Prominenz mehr und mehr nutzt, um auf die Missstände aufmerksam zu machen, die leider ebenso zu Hollywood gehören wie der Glanz und Glamour.
Vorkämpferin für Frauenrechte
Vor allem in den letzten fünf Jahren ist Reese Witherspoon zu einer selbstbewussten Vorkämpferin für Frauenrechte in Hollywood geworden. Schüchtern war sie nie wirklich, aber zwei Ehen, drei Kinder und reichlich eigene Erfahrungen mit Macho-Hollywood haben aus Reese eine mutige Feministin gemacht, die sich nicht scheut den Finger in die Wunde zu legen. Ich finde das beeindruckend. In Erinnerung geblieben ist mir ein Gespräch mit Reese zu ihrem Film „Wild“ für Insytle, für den sie ihre zweite Oscar-Nominierung einfahren konnte. Da nämlich sprach sie offen über das was sie stört am System Hollywood und der Männerdomäne, die sie mit Frauenpower zu ändern versucht.
Sie haben als Kind mal vier Jahre in Wiesbaden gelebt. Sprechen Sie eigentlich noch etwas Deutsch?
Fast gar nichts mehr, ich habe alles vergessen. Mein Vater war Arzt beim Militär. Daher waren wir in Wiesbaden stationiert. Ich besuchte einen amerikanischen Kindergarten auf dem Kasernengelände und Zuhause wurde auch nur Englisch gesprochen. Ich habe daher ohnehin nur ein paar wenige Worte Deutsch gelernt. Von Wiesbaden aus sind wir dann aufs Land nahe Nashville gezogen – dort wuchs ich auf.
Sie sind längst kein „Landei“ mehr – stattdessen mischen Sie mittlerweile als ausgeprägte Feministin Hollywood auf.
Ich bin eine Feministin, das stimmt. Aber ich finde dem Begriff hängt manchmal noch etwas Negatives nach. Ich lebe einfach bewusst als moderne Frau im 21. Jahrhundert. Und manchmal sehe ich da eben Dinge, die nicht mehr in dieses Zeitalter gehören. Das gilt es zu ändern. Dafür mache ich mich dann stark. So wie schon viele andere Frauen vor mir. Holly Hunter, Sigourney Weaver oder Debra Winger haben schon lange vor mir den Grundstein gelegt für eine größere Gleichberechtigung der Geschlechter. Ich bin keine Hollywood-Rebellin, die nun eine ganze Industrie aufmischen will. Ich kämpfe aber schon gezielt für Veränderungen.
Ihr erklärtes Ziel ist es, die Männer-Domäne in Hollywood aufzuknacken?
Mein Ziel ist es, dass Frauen die gleichen Chancen bekommen wie Männer. Da gibt es definitiv ein sehr starkes Ungleichgewicht. Es ist schon einiges erreicht worden in dieser Hinsicht, aber es ist noch ein sehr langer Weg dahin bis Frauen in Hollywood gleichberechtigt sind. Auf eine weibliche Regisseurin kommen derzeit sieben männliche Filmemacher. Der Männeranteil in der ‘Academy of Motion Picture Arts and Sciences’ liegt aktuell noch bei knapp 80 Prozent. Da ist es doch klar, dass dementsprechend auch in erster Linie Filme mit männlichen Hauptdarstellern und männlichen Regisseuren bei den Oscars zum Zuge kommen. Das möchte ich ändern. Dafür habe ich meine eigene Produktionsfirma gegründet. Damit ich Projekte umsetzen kann, die wieder mehr Feminismus in die Kinos bringen. Ich wurde als Teenager inspiriert von starken Frauen-Charakteren wie eben Sigourney Weaver. Das fehlt der jungen Generation heute. ‘Wonder Woman’ war eine der wenigen Ausnahmen in jüngster Zeit. Den Film fand ich super und diese Figur – auch wenn sie einem Comic entstammt – kann junge Frauen inspirieren. Wir brauchen mehr davon.
Wie bringen Sie männliche Studiobosse dazu, Ihre Forderungen und Ideen zu akzeptieren?
Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin ziemlich durchsetzungsfähig. Ich kann auch Männer in Grund und Boden argumentieren (lacht). Es ist bereits ein Umdenken in Gange, aber oftmals kämpft man eben noch gegen Windmühlen. Es sind momentan die neuen Streaming-Services wie Amazon und Netflix sowie die Pay-TV-Sender, die frischen Wind nach Hollywood bringen. Dort ist man sehr viel mutiger und Frauen gegenüber aufgeschlossener. Das ist auch klug, denn Frauen stellen nun mal 50 Prozent der potentiellen Kunden. Und der Mut zahlt sich ja auch bereits aus. Unsere Serie „Big Little Lies“ etwa, bei der gleich fünf Frauen im Mittelpunkt der Geschichte stehen, war ein großer Erfolg. Wir arbeiten nun an einer zweiten Staffel. Mit Jennifer Aniston setze ich für Apple-TV eine neue Serie um, die im Milieu der Morgenprogramme beim Fernsehen spielt und zwei Frauen als Hauptakteure hat. Es gibt sehr viele weitere Beispiele: ‘Game of Thrones’, ‚House of Cards’ – überall stehen auch starke Frauen im Mittelpunkt.
Dennoch werden Frauen noch immer weit schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen . . .
. . . und sie müssen sehr viel härter gegen Klischees kämpfen. Als Frau kämpft man in Hollywood manchmal gegen Argumente an, die man nicht für möglich halten würde im Jahr 2017. Vorurteile beherrschen leider noch immer die Hollywood-Szenerie. Auch weibliche Regisseure und Produzenten werden in einem anderen Licht gesehen als ihre männlichen Kollegen. Wenn ich eine junge talentierte Schauspielerin oder Regisseurin für einen meiner Filme durchsetzen möchte, höre ich oft: ‘Aber sie hat noch nicht genügend Filme gemacht.’ Na und? Ich hatte auch noch keine Erfahrung, als Diane Keaton mich 1991 für ihren Fernsehfilm ‘Wilde Sehnsucht’ engagierte. Oder als Steven Spielbergs Produktionsfirma mir 1993 als junges Mädchen in ‘Die Spur des Windes – das letzte große Abenteuer’ eine Chance gab die Hauptrolle zu besetzen. Das war erst mein zweiter Film, aber er hat mir sehr viele Türen geöffnet. Nur wenn man auch mal eine Chance bekommt, kann man sich auch beweisen.
Sie haben Ihre Filmkarriere mit 14 gestartet – ab wann haben Sie bewusst erkannt, dass Männer das Zepter in der Hand halten in Hollywood und Frauen oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen?
Gerade zu Beginn meiner Karriere war ich oftmals die einzige Frau am Set. Die gesamte Crew bestand in erster Linie aus Männern. Erst etwa zehn Jahre später, als ich um die 26 war, waren da auch mal ein paar Frauen am Bord. Ich denke, dass sich in den vergangenen fünf Jahren sichtbar etwas verändert hat. Da sah man erstmals mehr Frauen aber auch mehr farbige Filmemacher hinter der Kamera. Die Vielfalt in kreativen Schlüsselrollen ist etwas größer geworden.
Auch weil es heute mehr Solidarität anstatt Konkurrenzdenken gibt unter den Frauen in Hollywood?
Ich habe definitiv den Eindruck, dass es unter den Frauen in Hollywood mittlerweile eine viel größere Kameradschaft gibt als früher. Man hat verstanden, dass man gemeinsam mehr bewirken kann. Wenn man sich in einer so starken Männerdomäne gegenseitig bekämpft, macht man es den Herren nur leichter, ihre Dominanz weiter auszubauen. Zieht man hingegen an einem Strang, kann man einiges erreichen. Und ich denke, das haben mittlerweile die meisten Frauen in Hollywood sehr gut verstanden. Zumal es ja tatsächlich Fortschritte gibt, die sichtbar sind. Initiativen wie „Women in Film“ helfen dabei, die Rolle der Frauen weiter zu stärken. Es ist ein Umdenkungsprozess in Gange. Aber es ist eben auch noch sehr viel zu tun in dieser Hinsicht. Wir müssen uns weiter vereinen und für unsere Ideale und Rechte kämpfen. Und zwar sowohl vor als auch abseits der Kamera. Es gibt so viele wichtige Themen. In „Big Little Lies“ etwa ging es auch um häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe, Bullying, der Rolle der Mutter in unserer Gesellschaft, Eltern-Dynamik. Ist das Teil eines Projektes, spricht man anschließend auch automatisch darüber. Und das ist gut. Nur durch Kommunikation lässt sich etwas bewegen.
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