Die Halb-Indianerin Sacheen Littlefeather vertrat Marlon Brando 1973 bei der Oscar-Verleihung und verweigerte in dessen Auftrag den Oscar, den er für seine Rolle in „Der Pate“ gewann.
Denken Sie mit Stolz oder Schmerz zurück an jenen 27. März 1973, als Sie bei den Oscars für Marlon Brando eine Protestrede hielten – und als Resultat Ihre eigene Schauspielkarriere ruinierten?
Ich bin immer noch stolz darauf, was ich an diesem Abend vor 42 Jahren getan habe. Ich habe es für die Indianer getan. Wir haben dagegen protestiert, wie die „Native Americans“ in Filmen und im Fernsehen jahrzehntelang dargestellt wurden. Hollywood hat die Indianer in stereotype Schubladen gepackt, weit entfernt von der Realität. Regisseure wie John Ford portraitierten ein völlig falsches Bild der Indianer in ihren Filmen. Sie waren immer nur die Wilden und spielten die Rolle der naiven Schlachtopfer, während Leute wie John Wayne als Retter Amerikas glorifiziert wurden, weil sie die bösen Indianer in ihre Schranken wiesen. Anstatt echte Indianer für die Rollen der Häuptlinge zu besetzen, ließen sich weiße Schauspieler wie Elvis, Burt Lancaster, Boris Karloff oder Charles Bronson als Rothäute schminken. Das ist ein Witz.
Wie wurden Sie zu Brandos Sprachrohr?
Ich habe seit Mitte der 60er-Jahre in San Francisco als Aktivistin für die Rechte von Indianern gearbeitet, war Teil jener Gruppe, die 1969 Alcatraz besetzte und damit den Grundstein für den indianischen Selbstverwaltungs-Akt legte. Brando zeigte Interesse an unserer Arbeit. Ich wollte wissen, wie ernst er es wirklich meint, besorgte mir mit Hilfe unseres Förderers Francis Ford Coppola seine Adresse und schrieb ihm einen Brief. Ein Jahr lang hörte ich nichts von ihm. Dann rief er eines Tages an. Wir verstanden uns auf Anhieb und trafen uns regelmäßig. Einen Tag vor der Oscar-Verleihung rief er wieder an und unterbreitete mir die Idee, dass ich an seiner Stelle zu den Oscars gehen und eine Protestbotschaft gegen die Behandlung von Indianern in Hollywood und die Geschehnisse beim Massaker in South Dakota, verlesen sollte, wo Native Americans in Wounded Knee gegen US-Truppen und das FBI um ein Reservat kämpften. Fast völlig abgeschottet von der Öffentlichkeit. Brandos Plan war genial. Er wusste, dass die Oscars via Satellit weltweit übertragen wurden und wir 85 Millionen Menschen auf die Ereignisse in Wounded Knee aufmerksam machen konnten, welche die Regierung so gerne weiter verschwiegen hätte. Dieser Plan ging auf – nach der Oscar-Nacht interessierten sich Journalisten aus der ganzen Welt für die Kämpfe und reisten nach South Dakota. Die Academy hat prompt reagiert: Seit meinem Auftritt dürfen Nominierte keine Vertreter mehr schicken. Wir haben ein Stück Oscar-Geschichte geschrieben.
Roger Moore und Liv Ullmann, die Ihnen den Oscar überreichen wollten, waren ziemlich verdutzt als Sie ablehnend die Hand hoben?
Oh ja, der ganze Saal war verdutzt. Mir wurde gedroht, dass man mich sofort verhaften würde, wenn ich länger als 60 Sekunden spreche. Einige haben bei der Rede gebuht, ein paar wenige haben aber auch geklatscht. John Wayne stand hinter der Bühne, tobte wie ein wilder Stier und wollte mich von der Bühne zerren. Sechs Männer mussten ihn zurückhalten. Moore und Ullmann sprachen auch kein Wort mit mir als wir gemeinsam die Bühne verließen. Ich machte mir keine Freunde an diesem Abend – und landete als Schauspielerin prompt auf der schwarzen Liste der Studios. Aber das war es mir wert. Wir haben einiges erreicht und mittlerweile haben indianische Filmemacher eine Plattform in Hollywood. Die Dokumentation „Reel Injun“, die auch auf meiner Arbeit basiert, erzählt den langen Weg, den wir Indianer in Hollywood gehen mussten, um als Volk mehr respektiert zu werden. Aber Rassismus, Sexismus und Intoleranz sind leider immer noch häufig an der Tagesordnung in Hollywood.
Sie bekamen sogar Todesdrohungen nach dem Auftritt?
Ja, einige Leute agierten nach der Methode aus dem alten Rom: wem die Botschaft nicht gefällt, der tötet den Überbringer der Botschaft. Aber ich lebe ja noch.
Es wurde berichtet, Sie seien gar keine richtige Indianerin?
Es wurde auch behauptet, ich hätte mir das indianische Kleid, das ich an dem Abend trug, von einem Kostümverleih geliehen. Ich bin Halbindianerin. Mein Vater war Vollblutindianer, ein Abkömmling der Apachen und der Yaqui. Das Kleid war mein traditionelles Pow Wow-Tanzkleid. Alles echt. Mein Name Sacheen bedeutet übrigens „Kleine Bärin.“ Das passt zu mir, ich bin eine starke Kämpferin.
Blieben Sie weiterhin mit Brando befreundet?
Wir hatten losen Kontakt. Marlon hat sich für viele Minderheiten engagiert und zu seiner Überzeugung gestanden. Das mochte ich an ihm.
Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt verdient, nachdem man Sie in Hollywood nicht mehr als Schauspielerin engagierte?
Ich habe verstärkt als Aktivistin der „Native American Community“ in San Francisco gearbeitet, mich für eine bessere Ausbildung der Indianer engagiert und war auch an der Entstehung zahlreicher Filme über Indianer beteiligt. In den 80ern half ich Mutter Teresa dabei eine AIDS-Sterbeklinik in San Francisco zu gründen. Heute leite ich eine Gebetsgruppe zu Ehren von Kateri Tekakwitha, der ersten Indianerin, die vom Papst heilig gesprochen wurde. Eine Brustkrebsdiagnose hatte mich in den letzten Jahren gesundheitlich etwas zurückgeworfen, aber mittlerweile bin ich wieder fit genug, um weiter zu kämpfen für mein Volk.
Gucken Sie die Oscar-Verleihung?
Ich denke nicht – ich lese lieber ein interessantes Buch über Menschen, die inspirieren.
Das Leben von Sacheen Littlefeather:
Geboren am 14. November 1946 im kalifornischen Salinas als Marie Louise Cruz nahm die Tochter eines Indianers und einer Weißen als Studentin den indianischen Namen Sacheen Littlefeather an. Als Aktivistin und Schauspielerin kämpfte sie ab Mitte der 60er-Jahre in San Francisco für die Rechte der Indianer und befreundete Mit-Aktivist und Hollywood-Star Marlon Brando. Im Auftrag Brandos verlas Littlefeather bei der Oscarverleihung 1973 eine 15-seitige Protestbotschaft.
Littlefeather ist ledig, sie lebt in der San Francisco Bay Area und ist noch immer als Aktivistin und Glaubensschwester tätig.
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