Los Angeles ist in Aufbruchsstimmung: Wo auch immer man hinsieht, überall scheint Bewegung zu sein. Alte Lofts werden zu trendigen Ateliers, Künstler integrieren in ihren Werkstätten vegane Cafés und laden Publikum zum Verweilen ein, während sich Musiker von Graffiti-Künstlern ihr neues Albumcover designen lassen. Unter den vielen Kreativköpfen, die es in die Stadt der Engel zu ziehen scheint, tümmeln sich auch zahlreiche Modemacher. In der Szene wird das Geflüster immer lauter, dass Kalifornien dem beliebten New York bald in die (Designer-)tasche stecken könnte.
Aber Obacht: NYC gehört neben Paris, Mailand und London zu DEN Fashion Capitals unserer Zeit. Sowas ändert sich nicht einfach über Nacht, oder etwa doch?
Los Angeles vermittelt ein anderes Lebensgefühl
„Ich habe einfach das Gefühl, dass in Los Angeles alles möglich ist. Es ist eine Stadt für Gründer und Kreative“, erklärt die Designerin Clare Vivier gegenüber NeuH.com. 2008 hat sie ihr Handtaschen-Label ins Leben gerufen. Zuvor arbeitete sie in Paris als Journalistin. Auch wenn Vivier die französische Mode immer noch bewundere, stand es für sie außer Frage, ihr gleichnamiges Label an einem anderen Ort als Los Angeles zu gründen. Nun entwirft sie ihre Designs im Szeneviertel Silver Lake in direkter Nachbarschaft zu Brad Pitt und Leonardo DiCaprio. „Los Angeles wird mehr und mehr zu einer Modemetropole der Vereinigten Staaten – allerdings nicht wie New York, wo nochmal mehr auf Fast Fashion gesetzt wird“, beschreibt Vivier die Entwicklung der Stadt.
Die Ansprüche an Fashion Shows haben sich verändert
Natürlich bleibt auch Los Angeles von Fast Fashion nicht ganz verschont. Immerhin wurden hier die Einzelhandel-Giganten Forever21 und Nasty Gal gegründet und große Namen wie Guess haben hier ihren Hauptsitz. Der Clou, mit dem sich der Kreis wieder schließt: Diese und ein Großteil weiterer erfolgreicher Marke gehören dem Council of Fashion Designers of America (CFDA) an. Dabei handelt es sich um einen Berufsverband mit Sitz in New York, der 1962 von Eleanor Lambert gegründet wurde. Der Verband verleiht jährlich den CFDA Fashion Award, der auch gerne „the Oscars of Fashion“ genannt wird. Designer weltweit versuchen mit ihren Kreationen den Ehrenpreis zu ergattern oder anders gesagt: Alle recken ihre Finger nach New York. Deadlines und Ehrgeiz treiben die Modemacher zur Höchstleistung an.
Los Angeles wird zum beliebten Setting für Cruise-Kollektionen
Währenddessen wird weiter südlich auf Spontanität und neue Art von Darstellung gesetzt. Modepräsentationen können aufgrund des fast dauerhaft guten Wetters unter freiem Himmel stattfinden, Ozean und Hollywood-Hills bieten ein interessantes Setting. Rebecca Minkoff gehört zu den vielen Designern, die darin neue Inspiration finden. Minkoff ist eine erfolgreiche Millenial-Designerin, die ihre Mode erstmals 2009 in New York präsentierte. Mittlerweile bricht sie aus dem starren Muster der Fashion Weeks aus, zeigt ihre Mode auf dem Bürgersteig, anstatt auf einem Runway oder lässt das Event eben in Los Angeles stattfinden. „Wir müssen aus alten Gewohnheiten ausbrechen“, erklärte die Designerin damals, als sie auch auf das „See now buy now“-Prinzip umsattelte. Die Fashion Show wird längst nicht mehr von einer ausgewählten Elite in einem abgeschatteten Raum erlebt, sondern per Live-Stream in den Sozialen Netzwerken direkt in die Welt gesendet.
Fashion Shows werden in L.A. zum Erlebnis
Fashion Shows müssen daher zu einem anderen Erlebnis werden: Was wirkt nicht nur in der Location, sondern auch auf dem Bildschirm? Wie wird es für prominente Gäste möglichst einfach, bei der Show anwesend zu sein? Antwort: Wenn man die Show vor ihrer Haustür stattfinden lässt. Tom Ford hat das bereits 2015 verstanden, als er seine Herbst-Winter-Kollektion nicht in London, sondern in Los Angeles präsentierte. Damit raubte er anderen Designern in Großbritannien nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch Models wie Gigi Hadid und zahlreiche Zuschauer von Beyonce bis Julianne Moore. „Ich freue mich wahnsinnig, nicht irgendwo hinfliegen zu müssen, um meine liebste Fashion Show zu sehen“, erklärte Zuschauerin Rosie Huntington Whiteley damals den Location-Vorteil. Seitdem haben auch schon Saint Laurent, Louis Vuitton, Tommy Hilfiger und Dior ihre Shows in Los Angeles stattfinden lassen. Die Stadt hat sich besonders als Location für die Präsentation von Cruise-Kollektionen einen Namen gemacht: gutes Wetter und Urlaubsgefühl. Darum geht es bei der Zwischenkollektionen schließlich.
Ähnlich führen Laura und Kate Mulleavy in Label Rodarte. Sie zeigten ihre verträumten Designs bereits in Paris und New York, haben ihre jüngste Kollektion (Herbst 2019) aber wieder in ihrer Heimat Los Angeles präsentiert.
Während die zwei Schwestern Kalifornien schon seit der Gründung des Labels 2005 als kreativen Ausgangspunkt nutzen, lernen andere Highend-Labels die Südküste erst zu lieben. Zwischen den Hollywood-Hills sitzt eine starke Käuferschaft mit großer Konsumbereitschaft, Celebrities, die Fashion Shows auf ihren eigenen Kanälen featuren und eine Vielzahl an neuen Möglichen. Für Modehäuser ist es an der Zeit Standorte und Konzepte zu überdenken. Los Angeles könnte dabei in Zukunft eine noch größere Rolle spielen.
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