Ein Kompliment für Flip-Flops
Verschlafen. Bus verpasst. Nieselregen. Ipod leer. Dicke graue Wolken verhängen den Himmel. Und das in Kalifornien. Na toll. Mir bleiben 15 Minuten im Großstadtsmog. Dann rollt der nächste Bus vor. Beim Halten quietscht etwas im Getriebe. Ächzend neigt sich die Einstiegsrampe zum Bordstein. Dicht an dicht. Rucksack an Designertäschchen. Löchrige Turnschuh an blitzeblank polierten Anzugsschuhen. Genervt suche ich ein bisschen Platz für meine knallroten Flip-Flops. Mit meinem Gesichtsausdruck könnte ich dem donnergrummeligen Los Angeles-Himmel glatt die Show stehlen.
Ein Love-Button als Geschenk: Anmache oder Akt der Nächstenliebe?
„Wow – I like your shoes!“ Häääh. „Sorry, what?“ Wie jetzt, die mag meine Schuhe? Ich mustere die Lady im taillierten nudefarbenen Business-Anzug. Sie trägt schwarze, schlichte Saint Laurent Highheels. Das erkenne ich auch in diesem Gedrängel. Was interessieren die denn meine – zugegebenermaßen sehr viel günstigeren – kleinen Schuhe. „Nice colour!“ – noch immer strahlt die Brünette, als hätte sie ihre eigenen Designerschuhe im Schlussverkauf entdeckt. „Ah, thank you“, antworte ich und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Lustig die Amerikaner. Mit frisch manikürten Fingernägeln fischt sie etwas aus ihrer Tasche heraus. Drückt es mir im nächsten Moment in die Hand. Okay – ein Ansteckbutton. „LOVE“ steht in pinker Schreibschrift darauf. Ich betrachte den kleinen Anstecker. In dem O von Love ist ein kleines Herzchen zu sehen. Das V ist die Silhouette einer fliegenden Taube. „Have a wonderful day!“, höre ich sie sagen und schon ist die Business-Lady ausgestiegen. „You too“, rufe ich ihr hinterher. Für „I really, really, really looooooove your shoes“ war definitiv nicht genug Zeit. Doch von meiner Regenwetterlaune ist inzwischen keine Spur mehr. Und mein Ärger über die falsche Schuhauswahl für den Tag ist längst vergessen. Ich liebe es, wie solche kleinen Begegnung den ganzen Tag verändern können.
„Liebe teilen“ als Grundstein für ein besseres Miteinander
In der Redaktion angekommen schaue ich mir den Anstecker noch einmal genau an. Auf der Rückseite finde ich eine Internetadresse: lovebutton.org. Klick, klick,klick, ich tippe die Buchstaben in den Browser. Share the love. steht da – „Liebe teilen“. Tolle Idee. Simpel aber gut. Ich hätte nie gedacht, dass es eine richtige Bewegung – also ein Love-Movement gibt. Das macht mich neugierig. Unter dem ersten Reiter finde ich Forschungs-Ergebnisse der University of Southern California. Es geht um die Nutzung von Social Media und des Internets. Laut einer Umfrage reduzierte sich die face-to-face Interaktion der befragten Familien um täglich 60 Minuten. Rund 84 Prozent der Befragten gaben zu, zunehmend abhängiger von ihren Smartphones, Tablets oder anderen Gadgets zu sein. 65 Prozent der Befragten gaben sogar zu, mehr Zeit mit dem Computer zu verbringen, als mit ihrem Partner. Krass. Aber ehrlich gesagt, das trifft ja auch auf mich zu. In Gedanken höre ich meine Mutter sagen: „Jetzt leg doch mal das blöde Teil weg!“ Auch meine Lieblingsausrede kommt mir sofort in den Sinn: Als Journalistin ist das einfach dein Job. Facebook checken, Instagram checken, was geht auf Twitter – und dann schnell noch die News scannen. Schon ist eine halbe Stunde um. Ich fühle mich etwas ertappt und schaue auf meinen Anstecker.
Weg mit dem technologischen Filter – hin zu mehr Kommunikation miteinander
Teile die Liebe! Mit Hilfe der Buttons will die Bewegung den technologischen Filter zwischen uns entfernen. Aufrufen, wieder mehr miteinander zu sprechen, statt alle zwei Minuten auf das Display zu schauen. Zurück ins normale Leben. Einmal innehalten. Nachdenken, wenn wir mal wieder Fotos von komplett fremden Menschen in einem der Netzwerke teilen. Skurrilerweise funktioniert aber auch genau diese Trend-Bewegung aus dem Netz heraus. Denn genau dort gibt es die kleinen Love-Buttons zu kaufen. Diese können dann einfach verteilt werden. Ich mag die Idee. Und tatsächlich sind die kleinen Stecker gar nicht so selten in L. A. Auf meiner Rückfahrt lasse ich meinen endlich wieder geladenen iPod aus. Und entdecke die Buttons tatsächlich. An der Jeansweste eines Alt-Hippies. Er bemerkt, wie ich ihn anschaue und zwinkert mir durch die gelbgefärbte Sonnenbrille zu. Und dann sehe ich einen Button am Umschlagkragen eines Burberry-Trench. Hier bekomme ich kein Zwinkern, dafür ein eindeutiges Lächel-Zucken unter dem trendigen Vollbart. Eigentlich bräuchte man für diese Momente keinen Button. Doch manchmal braucht man eben einen kleinen Anstoß.
Mir fällt auf der Rückfahrt noch ein Zitat der deutschen Schriftstellerin Ricarda Huch ein. „Liebe ist das Einzige, was wächst, wenn man es teilt“. Recht hat sie.